Neubeginn

01. Juli 2018

Herr G. geht zielstrebig quer durch die Apotheke, schenkt sich ein Wasser ein und wartet geduldig mit dem Becher in der Hand, bis ein Apotheker Zeit für ihn hat. Meine Kollegin gibt ihm drei Kapseln, die er gleich einnimmt. Dann verabschiedet er sich mit einem „Bis morgen, Frau Magister!“ und verlässt die Apotheke genauso schnell wieder, wie er gekommen ist.

Kollegin Mag. Knechtl-Ratasich mit einem unserer Substitutionspatienten bei der täglichen Einnahme seiner Medikamente. Gegenseitiger Respekt ist die Basis für gutes Gelingen der Therapie. Foto@Maria Wachouschek

 Haben Sie sich auch schon mal gefragt, was der da eigentlich macht? Was sind das für Medikamente, die er da wie in stiller Absprache auf den Tisch gelegt bekommt? Und wieso kommt der morgen schon wieder? Fragen, die sich sicher viele unserer Kunden hin und wieder stellen. Doch nur die wenigsten trauen sich, bei uns nachzuhaken. 

Herr G. ist einer unserer Patienten, die an einem Opioid-Ersatzprogramm teilnehmen. Derzeit befinden sich landesweit etwa 17000 Patienten in Substitutionstherapie. Anders als in unseren Nachbarländern sind hierfür in Österreich die Apotheken zuständig. Die Patienten kommen täglich oder wöchentlich zu uns, um ihr Ersatzmittel in Form von Kapseln, Tabletten oder einer speziell von uns hergestellten Zuckerlösung zu erhalten. Durch diese Stabilisierung wird den Menschen geholfen, einen normalen Alltag zu leben. Weitere Vorteile der Therapie sind ein geringeres Risiko für Überdosierungen und Rückfälle, eine Senkung der Kriminalität und eine Verringerung der Ansteckung mit HIV und anderen Krankheiten. Sobald der Patient stabil ist, wird die Opiat-Menge Schritt für Schritt reduziert, bis auf ein schwächeres Medikament umgestiegen werden kann. 

Zuckerlösungen mit individueller Dosis Methadon, L-Polamidon oder Levo-Methasan werden bei uns frisch für den Patienten zubereitet. Foto@Maria Wachouschek

Wer in unserer Apotheke im Substitutionsprogramm sein möchte, muss sich an unsere strengen Regeln halten. Denn wir legen großen Wert auf respektvollen Umgang miteinander, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit. Dadurch ist das Verhältnis zu unseren Substitutionspatienten allgemein gut.

Hin und wieder kommt es auch schon mal vor, dass ein Patient mit knurrendem Magen ein Weckerl mitbekommt. Oder im Sommer ein kühles Eis. Je nachdem, ob und was unser Kühlschrank gerade hergibt.

Frau C. kommt wegen ihrer Vollzeitberufstätigkeit nur einmal pro Woche zu uns und holt ihre Ration für sieben Tage ab. Heute schiebt sie mir ihr Rezept für den nächsten Monat rüber und macht mich schüchtern, aber auch ein kleines bisschen stolz drauf aufmerksam, dass ihre Dosis wieder etwas gesunken ist. Ich bin mir sicher, dass Frau C. irgendwann keine Substitutionsmittel mehr brauchen wird. Über solche Erfolge freuen wir uns mit unseren Patienten - und in diesem Fall ist es schön, Kunden zu „verlieren“.

Herzlichst, Ihre Dr. Kirsten Knape

Wussten Sie schon, dass…?

Substitutionspatienten

Quelle: Dr. D. Tschabitscher/ S. Stiedl, Substitutionsstatistik Wien, Altersverteilung, November 2017

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